Die Seebühne auf dem Sound Of The Forest Festival 2019
Die Seebühne auf dem Sound Of The Forest Festival 2019

Ein buntes Indie-Universum am Marbachstausee im Odenwald


Über dem Publikum tanzen Seifenblasen in der Sommerluft. Die rustikale Bühne aus einfachen, hellen Holzbrettern steht direkt neben dem großen Maarbachstausee. Links und rechts von ihr schauen kunstvoll geformte Hirschköpfe aus Holz von den Bühnenpfeilern auf die Besucher hinab. Nebel steigt auf, an den Mikrofonständern schlängelt sich Efeu. Der Sänger der Indie-Band trägt ein bunt gestreiftes T-Shirt, darüber eine Latzhose in hellblauem Jeans. Die Sonne scheint, es ist noch früh – zumindest für Festival-Verhältnisse. Dennoch ist der Auftritt von Some Sprouts mehr als gut besucht. Im Publikum stehen besonders viele Frauen, die meisten wohl Anfang oder Mitte 20. Ein Typ neben mir mit Badehose und Sonnenbrille trägt eine Peace-Kette um den Hals. Zwei weitere Männer liegen vor mir mit den Armen verschränkt auf dem Boden, ihre Kappen als Schutz gegen die Sonne auf ihre Gesichter gelegt. Von irgendwoher riecht es nach Gras…

Ich bin das erste Mal auf dem Sound Of The Forest Festival am Odenwälder Marbachstausee. Für einen Tag schaue ich mir die Open-Air-Veranstaltung in dem besonderen Ambiente an, von der man im Odenwald so viel hört. Direkt am See gelegen, befinden sich auf Grünflächen vor einem Wald mit hohen Nadelbäumen drei Bühnen, ein weiteres Zelt und der sogenannte „Marktplatz“ mit mehreren Ständen. Neben Bands, die sich überwiegend im Indie-Genre bewegen, gibt es kreative Workshops – vom Blumenkranz binden, Yoga und Schnitzen bis zur Kräuterwanderung. Auch Song- und Poetryslams können sich die Besucher ansehen.

Nahe der Seebühne, auf der neben Some Sprouts noch viele andere Indie-Bands mit ihrer lockeren Musik für eine entspannte Atmosphäre sorgen, schwimmen die Besucher im See oder liegen einfach auf der Uferwiese in der Sonne und hören sich die Musik an. Durch das Holz der Bühnen und der Sägespäne davor riecht es immer ein bisschen nach Natur. Generell sind der Bezug zum Grünen und das Thema Nachhaltigkeit das Image des Festivals. Und das wird auch über die Location und die gestalterische Aufmachung hinaus gelebt. Neben Müllpfand und Glasflaschenverbot, welche schon vielerorts Standard sind, bestehen beispielsweise die vermeintlichen Plastikbecher in Wirklichkeit aus Maisstärke. Selbst die Getränkepfandmarken sind aus recyceltem Altholz. Man arbeitet mit regionalen Betrieben zusammen, sein Handy kann man mit 100% Sonnenenergie in der „Wilder Hirsch Area“ aufladen und es gibt einen Foodsharing-Stand, an dem Besucher nicht mehr gebrauchtes Essen für andere Besucher abgeben können. Was nach dem Festival noch genießbar ist, wird an einen lokalen Tafel-Verein gespendet. Außerdem unterstützen die Festivalbesucher beim Kauf von Wasser ein gemeinnütziges Wasserversorgungs-Projekt. Einziger Kritikpunkt ist für mich eine nicht klare Trennung zwischen Pfand und anderen Dosen am Eingang zum Infield, an dem die Besucher ihre Getränke abgeben müssen. Doch das ist das Einzige, was mir hierbei als Kritik einfällt.

Im Infield angekommen treffe ich dann einen Bekannten, der Teil des Orga-Teams ist. Mit einem breiten Grinsen kommt er auf mich zu und wir unterhalten uns ein wenig. „Heute Morgen beim Yoga kamen 150 Leute“, erzählt er stolz. „Wir mussten die Seiteneingänge vom Zelt öffnen“. Das „Fuchsbau“-Zelt ist das kleinere der beiden Veranstaltungszelte. Direkt daneben steht das „Unterholz“-Zelt. Es ist so etwas wie die zweite Hauptbühne des Festivals. Natürlich sorgt das Indoor-Zelt-Feeling für eine gewisse Atmosphäre bei den Konzerten und auch die Lichttechnik hat hier stets perfekte Voraussetzungen für ihre Arbeit, wie mir mein Freund aus der Orga erklärt. Doch manche Bands möchte man dann doch einfach Open Air erleben. Außerdem ist es bei beliebteren Bands schnell auch Mal zu eng im Zelt und anders als bei Konzerten unter freiem Himmel, sieht man hier wenn man Pech hat wirklich gar nichts mehr von der Bühne.

Ansonsten ist das Festival aber mit Shuttlebus, Handyauflade-Möglichkeit und „Forest Bank“ zum Geld abheben sehr gut aufgestellt. Auch ein umfangreiches Merchandising sowie hauseigener Apfelwein und Apfelweinlikör zeugen von einer Größe und Professionalität, die sich den mehr als 5000 Besuchern durchaus bewusst ist. Die Bands bewegen sich, wie gesagt, meistens irgendwo zwischen Indie-Pop und -Rock. Doch auch viele elektronische Einflüsse sind auf dem Festival zu hören. Nach einem abgesagten zehnten Geburtstag letztes Jahr wegen Waldbrandgefahr, wird den Besuchern dieses Jahr mit den Headlinern Bilderbuch, den Leoniden und Von Wegen Lisbeth eine geballte deutsche Indie-Front geboten, die es in sich hat. Letztere überraschen mich am Freitagabend mit einer energiegeladenen Live-Show, bei der unaufhörlich zwischen etlichen Instrumenten hin- und hergesprungen wird. Unglaublich viele Keyboards, Gitarre, Xylophon… selbst ein Saxophon findet bei den Berlinern Zeit zum Glänzen. Spätestens die aus dem Leben gegriffenen, szeneartigen Beschreibungen in ihren Texten überzeugen mich aber dann: So muss deutschsprachiger Indie-Pop für die große Bühne aussehen!

„Mit dem Jetset in Richtung Sunset, Red Carpet, Hunderttausend-Mark-Dress“

– Blond in ihrem Song „Hit“

Etwas früher am Abend lasse ich mir außerdem noch einmal bestätigen: Ja, Blond sind immer noch so verrückt wie gewohnt. Mit Cover-Songs, random Tanzeinlagen, und viel Charme schweben die drei Chemnitzer irgendwo zwischen Trash Pop und Indie. Die beiden Mädels stehen in glitzernden pinken Kleidern, Bassist Johann im durchsichtigen, ebenfalls glitzerndem Oberteil auf der Bühne im engen „Unterholz“-Zelt. Und zusammen mit dem Euphorischen kommt dort eine Atmosphäre hoch, die etwas von der bekloppten Stimmung auf einer Faschingssitzung hat.

Doch auch rockigere Bands spielen beim Sound of the Forest. Im vielfältigen Indie-Rock-Lager bewegen sich als erste Band auf der „Waldbühne“ die Darmstädter Rooftop Riots. Über ihre EP habe ich damals ziemlich ausführlich geschrieben. Heute spielen sie ausschließlich eigene Songs, keine Cover. Die neuen Songs behalten dabei den eigenen Sound der Band und knüpfen gut an ihre erste Veröffentlichung an. Es bleibt abzuwarten, in welche musikalische Richtung die Darmstädter in Zukunft gehen werden.

Am besten gefallen haben mir allerdings Pabst. Schon im vorletzten Artikel über das Nonstock Festival habe ich über ihren kleinen Hype geschrieben, den die Band dieses Jahr hat. Ihre Gratwanderung zwischen Grunge, Indie- und Psychedelic Rock scheint den Zahn der Zeit zu treffen: Harter Rock, der dennoch irgendwie leicht zu nehmen ist und gut ins Ohr geht. Was ich heute aber auch bemerke: Ihre Live-Performance geht gerne auch Mal in die abstrakten Sphären des Noise Rock über, der in dem kleinen Zelt umso intensiver wirkt. Ihre Leidenschaft ist dabei beeindruckend. Zwischen den Songs wird nicht viel geredet; oftmals werden Lieder ineinander übergeleitet. Zum Ende hin spielen Sänger und Bassist dann unterhalb der Bühne im Moshpit. Ein starker, authentischer Auftritt. Ich bin gespannt, was die drei Berliner noch von sich hören lassen werden.

Insgesamt kann ich zum Sound of the Forest Festival sagen, dass es seinem Image und der Aufmachung auf jeden Fall gerecht wird. Auch wenn es musikalisch nicht ganz meine Richtung ist, wirkt es durch und durch authentisch und gut in dem, was es ist und sein will. Man setzt nach außen klare Vorstellungen, was hohe Erwartungen an die Veranstaltung mit sich zieht. Doch auf mich macht es eben diesen umweltbewussten, open-minded Eindruck von einem naturnahen Festival, den es auch vermittelt. Man legt viel Liebe in Dekoration und Gestaltung und auch das Programmangebot ist sehr vielfältig. Für Freunde der leichteren Musik, die ein Natur-Ambiente schätzen, also definitiv eine Empfehlung.