4 dunkel gekleidete Männer auf einer Treppe, an den Seiten sind Wände mit Grafitti, im Hintergrund ein überbelichteter weißer Himmel
4 dunkel gekleidete Männer auf einer Treppe, an den Seiten sind Wände mit Grafitti, im Hintergrund ein überbelichteter weißer Himmel

Truth Grip spielen harte Riffs und langsame Breakdowns. Aus diversen vorigen Bands hervorgetreten, bewegen sie sich zwischen Hardcore, Beatdown und Metal. Bassist Steven und Gitarrist Andy sprechen im Interview mit dem VOLUME Magazine über Violent Dancing, den letzten Auftritt von Born as Lions und feministische Songtexte.


Letztes Jahr im Herbst habt ihr angefangen, Songs rauszuhauen. Im Dezember kam dann eure Debüt EP „Reality Curse“ und der erste Auftritt. Eure zukünftige Musik wird über Blood Blast vertrieben, einer Tochtergesellschaft von Believe/Nuclear Blast für „Extreme Music“. Wie beschreibt ihr euren Sound und worum geht es in euren Songs?

Steven (Bass): Ich würd sagen, die meisten von uns sind hauptsächlich von Hardcore beeinflusst. Aber klar, wir haben auch Beatdown-Parts, mal Schnelleres, mal Treibendes, hier und da mal ein Two Step und auch immer was Grooviges dabei. Andy bringt dann noch einen Metal-Einfluss mit rein, den wir anderen drei auch einfach mögen. Wir sprechen intern immer von einer Mischung von 70 % Hardcore und 30 % Metal. Wir sehen uns nicht als Metalcore-Band, aber wie andere das dann nennen, ist mir wurscht. Der Grundgedanke ist immer derselbe und der hat meistens was mit Politik zu tun, mit der Weltanschauung von einem, mit dem Freundeskreis und dem Umfeld.

Andy (Gitarre): Und zum Songwriting: Mir persönlich fehlt bei „reinem“ Hardcore ein bisschen das Spielerische. Ich liebe Hardcore, aber nur stumpf irgendwelche Power Chords zu spielen – da fehlt mir die Challenge. Und wir sind ja auch schon noch im Metal zu Hause. Deswegen streuen wir davon noch etwas ein, damit es interessanter wird und unsere eigene Note bekommt. Sich als reine Hardcore-Band abzuheben finde ich tatsächlich gar nicht so einfach, weil es schon sehr viele gute gibt.

Steven: Wir nennen Andys Metal-Einflüsse immer „Gefuddel“. Die Songs entstehen dann aber in Teamarbeit. Jeder hat mal eine Riff- oder Drumidee und die Struktur der Songs machen wir dann gemeinsam. Die Lyrics kommen von Mark und Andy. Und klar, am Anfang wurde da bei uns viel diskutiert, was die Musikrichtung angeht. Aber inzwischen kennen wir unsere Richtung und unsere Vorstellungen sind zusammengewachsen. Die zukünftigen Sachen werden teilweise auch noch härter im Sound sein. Inhaltlich geht es oft um alltägliche Dinge. Abrechnungen mit Charakteren aus der Vergangenheit, die dich runtergedrückt oder fertig gemacht haben. Aber auch politische Themen.

Andy: Politische Inhalte sind uns tatsächlich ein wichtiges Anliegen. Hardcore oder generell härtere Gitarrenmusik transportiert ja immer eine Art Message. Es ist halt ein super Medium dafür. Ich finde, wenn du eine Band hast und das nicht als Sprachrohr nutzt, um auf Dinge hinzuweisen, lässt du Potenzial auf der Strecke liegen. Natürlich haben wir alle unsere Meinungen. Die gehen ins linke Lager, sind tolerant und weltoffen. Was wir mit dem Rechtsruck gerade alles sehen, vor allem bei uns in Deutschland mit der AfD – das sind alles Themen, die gehen an keinem von uns vorbei. Wir versuchen mit dieser Wut im Bauch dann durch unsere Musik in irgendeiner Art und Weise etwas dagegen zu tun. Wenn du mit deinen Texten irgendjemanden erreichst, der vielleicht noch zwischen den Lagern steht oder der nicht so genau weiß, wohin er soll; wenn du diese eine Person mit deinem Text erreichst, dann ist das schon viel. Unsere nächste Single, an der wir gerade arbeiten, ist ein feministischer Song. Es geht etwa darum, dass bei sexuellen Übergriffen nicht die Frauen und ihre Kleiderwahl das Problem sind, sondern die Männer, die dann die Schuld den eigentlichen Opfern zuschieben wollen. Der Song übt Kritik am männlichen Geschlecht, beziehungsweise denen, die nicht empathisch genug sind zu erkennen, was sie mit ihrem eigenen Verhalten Frauen gegenüber anrichten. Grob zusammengefasst: Wir versuchen in den Texten zu transportieren, was uns gerade bewegt, was in der Welt so abgeht und was uns und unsere Mitmenschen aktuell so betrifft. Wir versuchen ein Sprachrohr für Positives zu sein.

Truth Grip besteht aus Andy, Mark, Steven und Patrick. Nun habt ihr ja in der Vergangenheit alle schon in anderen regionalen Bands gespielt und gerade durch Born as Lions oder zuletzt Protagonize werden euch viele kennen. Könnt ihr mal dieses Geflecht aufdröseln? Wer kommt jetzt genau woher?

Steven: Bei Protagonize war die Idee, dass Mark, Patrick und ich zusammen Musik machen. Ich glaube, wir kennen uns schon seit über 15 Jahren. Dazugestoßen sind dann noch Aaron und Mirko. Aaron war vorher jahrelang bei der Band Mel T. Eyes, Mirko kam aus einer alten Band mit Mark. Mark war selbst jahrelang Sänger bei Shattered Lions, die sich ja dann aufgelöst hatten, so kam er zu uns. Wir waren uns aber dann bei unserer neuen Band Protagonize nicht so richtig einig, was die Musikrichtung und auch die Aktivität der Band angeht. So kam es, dass wir drei Jahre lang (während Corona) als Proberaumband perfektionistisch an Songs gearbeitet haben, aber letzten Endes fast nie etwas released haben. Tja, und drei von uns [Andy, Patrick und Steven] kommen ja auch von Born as Lions.

Andy: Genau. Im Dezember 2017 bin ich bei Born as Lions ausgestiegen, weil Sänger Henny und ich ein bisschen Meinungsverschiedenheiten hatten und ich nicht wollte, dass unsere Uneinigkeiten letzten Endes der Band schaden. Mein Ausstieg hatte dann dazu geführt, dass die Band erstmal pausiert hatte; später kamen Jens und Tom zur Band, die auch gute Freunde von uns sind und früher auch mit Henny zusammen in einer Band waren. Das ging dann bis Ende 2019 so, bis sich das aber auch im Sande verlaufen hat, weil die Vorstellungen auseinander gegangen sind. Und dann war Corona, was ja für so ziemlich jeden Künstler erstmal der Sargnagel war. Die alte Besetzung von Born as Lions, wie sie 2017 war, hatte dann nochmal überlegt, das Projekt wiederzubeleben und wir fanden das alle eine coole Idee. Das ist dann aber an mir gescheitert, weil ich eigentlich gesagt hatte, ich haue ein paar Ideen für Songs raus. Aber um ehrlich zu sein, hat mir die Perspektivlosigkeit während Corona total die Motivation geraubt. Man hatte überhaupt keine Aussicht, Gigs zu spielen und wusste auch nicht, wie die Zukunft aussieht. Deswegen hat sich das dann auch wieder verlaufen und wir haben gesagt, dann lassen wir es eben. Dann zwei Jahre später waren die anderen mit Protagonize am Start und Steven und ich hatten Ende 2022 ein bisschen miteinander geschrieben. Er meinte da, er würde gerne noch bisschen mehr in die härtere Richtung gehen und Musik zum Tanzen machen, was wohl mit Protagonize nicht so ganz funktioniert hatte. Ich hab überlegt, wenn sich die Chance ergibt, dann kann man ja vielleicht irgendwie dort einsteigen, aber letztendlich ist es ja dazu gekommen, dass Protagonize dann aufgehört haben und das Ding ohne hard feelings ganz freundschaftlich begraben haben. Und daraus ist dann entstanden, dass von der Protagonize-Besetzung die zwei Gitarristen und ich uns sozusagen ausgetauscht haben und wir dann gesagt haben, wir machen einen neuen Namen, neues Image, neuen Stil und Mucke zum ordentlich tanzen. Also weniger wie mit Born as Lions ins Melodische, sondern mehr ins Treibende/Aggressive. Wir hören halt auch gerne so Musik und hatten auch mal Bock, sowas selbst zu spielen.

Regional habt ihr schon bei Heavy Grounds in Aschaffenburg oder bei Zombified Shows in Wiesbaden gespielt. Ich habe euch aber auch im Februar bei dem Benefizevent „Metal for Marcel“ in Rüsselsheim gesehen. Das war gleichzeitig auch die Abschiedsshow von Born as Lions. Wie ist es zu diesem Abend gekommen?

Andy: Unser Freund Marcel musste Anfang letzten Jahres ins Krankenhaus und wurde mehrere Wochen ins künstliche Koma versetzt. Sein Leben hing wirklich am seidenen Faden. Wir haben damals jeden Tag gehofft, dass er den nächsten Tag überlebt. Am Ende hat er diesen krassen Kampf gewonnen, allerdings zu dem Preis, dass ihm die Beine ab dem mitteren Unterschenkel amputiert werden mussten. Das war der einzige Weg, und naja – als amputierter Mensch hast du es halt um einiges schwerer im Leben. Und da hatte Stevens Frau die Idee, dass wir ja genug Bands und Leute kennen, dass wir für Marcel eine Benefizveranstaltung machen könnten. Weil er ja, wenn er jetzt zurückkommt, wahrscheinlich Geld und Unterstützung brauchen wird. Und das haben wir dann auch gemacht: im Club Das Rind in Rüsselsheim, unserer alten „Homebase” von Born as Lions. Und weil es für Born as Lions nie so wirklich einen Abschluss gab, dachten wir: Aja, dann tanzen wir halt zwei Mal auf dieser Hochzeit.

Steven: Wir sind alle noch befreundet, deswegen hatten wir die alte WhatsApp-Gruppe noch mit Timo, Marcel und so weiter. Genauso wie die alte WhatsApp-Gruppe von Born as Lions. Da habe ich dann einfach den Vorschlag reingeschrieben und alle haben direkt zugesagt, hatten Bock und wollten das einerseits für uns nochmal als Abschluss machen, aber eben auch für Marcel, dass da wirklich viele Leute kommen. Marcel war auch immer ein Teil von Born as Lions. Er war als Merch Guy mit auf Tour und hat uns generell überall geholfen, wo er konnte, deswegen musste das sein. Er gehört zur Familie.

Andy: Und wir waren überrascht: Am Ende hatten wir durch die Gagen der Bands und die Spenden vor Ort glaube ich 1.650 € eingenommen, was ziemlich geil war –  wir hatten vielleicht ein Drittel davon erwartet. Also an der Stelle nochmal ein herzliches Dankeschön von uns an alle Beteiligten und jede einzelne Person, die da war!

Steven: Eigentlich war sogar noch geplant, dass für ein paar Songs auch Jens und Tom für Born as Lions auf der Bühne stehen, aber das hat dann leider aus privaten Gründen nicht geklappt. Das wär nochmal ziemlich cool gewesen, aber ich glaube, auch so war es ein super Abschluss. Ich glaube, es war auch einer der Top-Drei-Gigs von Born as Lions ever. Es waren so viele Leute da, auch viele alte Wegbegleiter, befreundete Bands und so weiter.

Eine Sache zu den Konzerten: Für Leute außerhalb von Hardcore, Beatdown, Slam oder was auch immer können so Shows mit Violent Dancing manchmal echt wild und befremdlich aussehen. Wie erklärt ihr das Leuten außerhalb der Szene?

Steven: Es geht um das Gefühl in dem Moment, wenn zum Beispiel ein harter Breakdown kommt. Oder sei es auch nur ein Two Step, wo ein gewisser Beat auf den Drums gespielt wird und die Leute sich dann im Takt dazu bewegen und sich kaum berühren. Das, wo man vor Ort denkt, die Leute hauen sich gegenseitig aufs Maul: die kennen sich meistens alle untereinander. Das ist dann das Witzige für die, dass es wie beim Wrestling so aussieht, als ob sie sich mit voller Wucht aufs Maul hauen, dabei stoppen sie vor dem Kopf ab. Neben diesem Auf-den-Kopf-Gehaue bei besonders harten Parts im Song gibt es noch die Side-to-Side-Parts, wo alle von einer Seite zur anderen rennen und zur Musik ausrasten. Da tritt man meistens nicht, sondern fliegt halt in die Leute rein und hebt vielleicht mal ein Bein. Aber auch beim Two Step oder wenn mal wer eine Windmühle mit den Armen macht oder in die Leute reingeht – die Leute, die vorne im Pit stehen, kennen sich meistens untereinander. Wer darauf keinen Bock hat, stellt sich einfach ein bisschen weiter nach hinten. Ich sage immer: Mitte Mitte im Raum ist eh am besten für den Sound. Aber ja, das gehört halt dazu. Was aber gar nicht geht und was wir auch als Band verurteilen, sind die Leute, die dann wirklich komplett reingehen mit der Absicht, jemanden richtig mit voller Wucht in die Fresse zu schlagen. Das sieht man in Amerika zum Teil. Da hört es komplett auf, das geht gar nicht. Solange die sich kennen und wir sehen, die grinsen alle untereinander und lachen sich kaputt, wenn sie einander reinrennen oder sich irgendwie auf’m Kopp hauen oder so ist alles gut. Aber ich glaube, wir wären auch eine der ersten Bands, die da unterbrechen würden, wenn es uns zu wild wird und wir da was sehen. Aber wir sind ja auch aus der Umgebung hier und kennen die meisten Leute aus dem Rhein-Main-Gebiet, die bei uns vorne so tanzen.

Andy: Klar, vor allem für Außenstehende sieht es aus wie ein Schlachtfeld; als gäbe es da eine Massenschlägerei. Wir machen Musik zum „Tanzen“. Wir wollen auch, dass die Leute tanzen. Aber wie Steven schon gesagt hat, wir wollen auch, dass die Leute friedlich und cool miteinander bleiben. Dieses beabsichtigte Crowdkillen, also wirklich Leute angreifen, das verurteilen wir. Das ist kacke und das wollen wir nicht. Sobald da was passiert, würden wir den Song abbrechen und sagen: “Leute, benehmt euch oder ihr könnt gehen”. Es soll keiner bereuen, auf eine Truth Grip Show gegangen zu sein.

Auf eurem Song „Shots Fired“ gibt es ein Feature mit Flo, dem Sänger von Makhaira aus Frankfurt, die in letzter Zeit auch gut auf sich aufmerksam gemacht haben. Wie ist es zu der Zusammenarbeit gekommen?

Steven: Wir sind in der Band alle mit Flo befreundet. Ich kenne ihn seit fast 20 Jahren und wir machen auch zu zweit die Zombified Shows.

Andy: Ich kenne Flo so seit 2010.

Steven: Wir schätzen auch einfach schon seit Ewigkeiten seine Vocals, das war schon bei seiner alten Band Carry the Dead so. Da war es das Naheliegendste, bei unserem ersten Release auch einfach was mit einem Kumpel zu machen. Bei fünf Songs auf der EP wollten wir mindestens ein Feature haben. Und da waren wir sehr schnell bei Flo. Er kann auch schnell was bei seinem Gitarristen Emil aufnehmen, die Möglichkeiten da waren einfach easy. Am 16. August spielen wir bei der Release Show von Makhaira, die in der Kreativfabrik Wiesbaden ihre neue EP vorstellen.

Andy: Demnächst kommt auch noch eine neue Single und wenn alles klappt dann im Dezember die nächste EP.