Scheiba aus Darmstadt. Foto: Clemens Schlegel
Scheiba aus Darmstadt. Foto: Clemens Schlegel

Viele kennen Scheiba für ihre lebendigen Festivalshows und Ohrwurm-Songs zum Mitsingen. Gerade ist ihre neue EP „Von Romantik und Realität“ rausgekommen. Was es mit dem Titel auf sich hat und wie die Reise nun weitergeht, erzählt die Band im Interview.


Ihr steht zu sechst auf der Bühne und habt dabei eine sehr lebendige Performance. Wie wichtig ist euch der Aspekt, eure Musik live vor Publikum zu spielen?

Sebastian (Gesang/Gitarre): Ich glaube dieser Live-Aspekt definiert uns tatsächlich so ein bisschen. Wir haben relativ spät erst angefangen, unsere Musik auch aufzunehmen. Schon lange vorher haben wir hier in Darmstadt in der Goldenen Krone oder irgendwelchen Hinterhöfen immer live gespielt und dieses Handwerk „Musik auf einer Bühne machen“ gelernt. Klar finden wir als Band auch Aufnehmen geil. Das macht Spaß, gerade wenn der Prozess richtig gut läuft. Aber im Grunde ist das Live-Spielen das, was wir wollen. Recording oder irgendwelche Promoarbeit machen wir nicht unbedingt für die Aufmerksamkeit oder Reichweite an sich, sondern eher für die Möglichkeit, auf der Bühne stehen zu und dort unsere Musik spielen zu können. Die Interaktion mit dem Publikum ist das, was uns Spaß macht. Viele Bands machen es ja andersrum: Zuerst Aufnahmen publishen und dann irgendwann Konzerte spielen, damit die Leute die Musik schon kennen. Bei uns hat sich das andersherum ergeben.

Vor allem letzten Sommer wart ihr dafür auch viel in unserer Region auf Festivals unterwegs, zum Beispiel beim Trebur Open Air, Schlossgrabenfest, beim Burning Down Fischbachtal oder dem Sound Of The Forest. Wie sind dabei die Reaktionen auf eure Blasinstrumente?

Sebastian: Ja, gerade die Mainstage beim Sound Of The Forest zu eröffnen war natürlich gigantisch! Zuerst waren wir uns unsicher, ob da überhaupt mehr Menschen als einfach ein paar Freunde von uns stehen werden, aber am Ende sind da echt viele Leute abgedanced, obwohl die meisten unsere Mucke eigentlich noch gar nicht kannten. Das war schon ziemlich geil und wenn das Publikum Spaß hat, ist das natürlich auch ein sich gegenseitig befeuernder Effekt mit uns. Diesen Sommer wollten wir auch mal woanders spielen und in Deutschland herumkommen, was uns dann von irgendwelchen kleineren Veranstaltungen an der Ostsee bis hin zu einem mehr Electro-mäßigen Festival kurz vor Passau oder dem Fête de la Musique in Erfurt gebracht hat. Die Reaktionen auf die Bläser sind dabei eigentlich immer sehr positiv. Gerade, weil sie auf der Bühne ja auch nicht nur statisch im Hintergrund stehen, entsteht auch eine gewisse Freiheit in der Performance und im Sound. Das wird uns auch oft rückgemeldet. Die Blaselemente sind gut eingebunden in unseren Sound, sodass auch Leute das feiern können, die normalerweise nicht so eine Musik hören. Wir wollen sie aber auch nicht zu viel einsetzen oder nur klassische „Big-Band-Lines“ spielen lassen, sondern auch mal als Layer oder kleine Akzente im Hintergrund haben oder auch in der Melodie oder mit einem Solo. Und klar: Eine Indie-Band mit so einem vielschichten Einsatz von zwei Bläsern hat natürlich auch ein gewisses Alleinstellungsmerkmal.

Philipp (Saxophon): Außerdem glaube ich, dass Bläser auch Menschen ein visuelles Element geben, die nicht ganz so Musik-afin sind. Das hilft, eine Melodie zu verstehen.

Wie seid ihr als Band zusammengekommen? Wie ist so eure Bandgeschichte?

Sebastian: Ein Großteil von uns war zusammen auf der Schule und hat sich dann gedacht: Ey, lass doch für den Abiball mal eine Band machen. Damals war das noch eher so Rock’n’Roll, aber eben auch schon mit Bläsern. Wir hatten eh alle zusammen in einer Big Band gespielt und so hat sich das angeboten. Das waren Philipp (Saxophon) und Clemens (Posaune) als Bläser und ich an der Gitarre. Unsere Freundin und Gitarristin Jacky Bastek, die auch in Trebur mit uns gespielt hat, hatte damals Kontrabass in unserer Band gespielt – und eben Markus am Piano und Steffen an den Drums. Nachdem wir dann ein paar kleine Auftritte gespielt hatten, bin ich aber aus der Region weggezogen und die anderen haben erstmal in anderen Projekten Musik gemacht. Irgendwann bin ich mit ein paar Songideen im Gepäck wieder zurückgezogen und während Covid hab‘ ich dann mit Philipp und Steffen im Rahmen der Gegebenheiten wieder angefangen, zusammen Musik zu machen. Im Laufe der Zeit kamen auch Markus und Clemens wieder dazu und wir brauchten nur noch einen Bass. Den hat dann Mau übernommen, der schon Teil einer Jam-Konstellation mit Philipp war und ursprünglich Gitarrist ist. Wir hatten dann irgendwo noch ein Bass rumfliegen und mittlerweile hat Mau sogar sein Hauptfach an der HfMDK von Gitarre zu Bass gewechselt.

Eure neue EP heißt „Von Romantik und Realität“. Wofür steht dieser Titel?

Sebastian: Das Songwriting ist daraus entstanden, dass ich ziemlich großen Liebeskummer hatte und das in der Musik und den Texten verarbeiten wollte/musste. Mit „25“ haben wir außerdem einen Song, der ein bisschen gesellschaftlicher ist und sich mit dem Mitte-20-sein und den Erwartungen, aber eben auch der Realität dahinter beschäftigt. Also dieses „alle stehen fest im Leben, wissen was sie tun und sind angekommen“ bis man plötzlich merkt: Alter, ich habe wirklich noch keine Kontrolle über mein Leben und keine Ahnung, wo ich hin will, geschweige denn, wer ich eigentlich bin. Und das bringt den Titel der EP eigentlich auf den Punkt: Das Romantisieren von Dingen und der tatsächlichen Realität, die am Ende dabei herauskommt. Sei es jetzt Liebe und Romantik oder eben die Lebenssituation mit Mitte 20. Aber auch in Bezug auf die Musik: Wir sind keine große Band, die die Riesen-Festivals oder Touren spielt, sondern eine kleine Band, die mit sehr viel Arbeit einfach ein kleines Abenteuer erlebt und dadurch einen schönen Blick hinter die Kulissen bekommt, was hinter dem Dasein von Musik steckt, aber wo es auch unfassbar schwierig werden kann – einfach dieses Realisieren, wie schwer es ist, an das alles heranzukommen. Diese Ambivalenz zwischen „Romantik und Realität“ hat uns die letzten zweieinhalb Jahren seit unserem ersten Auftritt begleitet. Die sechs Songs von der EP haben wir auf fast jedem der Konzerte gespielt. Sie haben uns das ermöglicht, was wir bisher alles erleben durften. Die EP fasst das alles quasi als Einheit zusammen und definiert diese Zeit für uns. Gleichzeitig bekommen wir damit auch die Möglichkeit, jetzt ein neues Kapitel aufzuschlagen.

Und wie sieht dieses neue Kapitel für euch aus?

Philipp: Die nächste Perspektive ist eine Clubtour durch Deutschland vom 28.09. bis 05.10. Wenn man wieder den Bezug zur EP spannen will, war das für uns so die „Realität“ – zu sehen, wie es im Musikbusiness wirklich aussieht und was es heißt, eine eigene Tour zu organisieren. Da draußen wartet ehrlich gesagt erstmal niemand auf einen. Es gibt sehr viele Bands, die einen Platz zum Spielen suchen. Auf Festivals ist alles für einen organisiert, man kriegt ein Info-Sheet und wenn‘s gut läuft, ist der Kühlschrank voll und es gibt leckeres Catering. Clubs hingegen, die überhaupt Bock haben einen einzuladen und spielen zu lassen, muss man erstmal finden. Im besten Fall auch welche, die nicht einfach sagen: so und so hoch ist die Miete und jetzt schaut, wo ihr bleibt. Es ist schon krass, wenn man Städte für die Tour raussucht und dann merkt: ja fuck, wer soll eigentlich auf die Idee kommen, an einem Dienstag in Dresden auf ein Konzert von uns zu gehen? Der Preis, den wir für diese Ergänzung zum Festivalsommer zahlen, ist hoch, aber der Award dafür kann eben auch hoch sein. Ich glaube, ein Konzert, bei dem zehn Leute allein für dich ein Ticket kaufen, kann einem tausendmal mehr bedeuten als ein Gig, bei dem 500 Leute irgendwo an einem Weinstand am Rand stehen und dich nebenbei locker beklatschen. Diese Tour unter dem Titel „Für immer Sommer“ ist auf jeden Fall ein Experiment für uns und schlägt mit der gleichnamigen Single, die wir nächste Woche veröffentlichen, ein neues Kapitel auf. Auch beim Aufnahmeprozess hatte der Song zum Beispiel schon einen professionelleren Rahmen. Das hat uns glaube ich auch total gutgetan, unserer Kreativität diesen Raum zu geben und weniger als Laien so einen technischen Recordingprozess umzusetzen. Allein der letzte Song unserer gerade erschienenen EP haben wir vor Ostern 2023 aufgenommen. Da kann man sich glaube ich vorstellen, wie lang der rechts und links gedreht wurde.

Sebastian: Die Songs von der EP sind eigentlich alle mehr oder weniger so aufgenommen, wie wir sie auch live spielen. Nun haben wir etwas Neues im Sound gesucht. Es ist ein bisschen „indirekt rockiger“. Damit meine ich, dass es ein bisschen freier im Sound und besser gefüllt ist. Die Produktion ist mehr eine „Produktion“ als einfach nur ein „Recording“. Wir haben uns mit den Produzenten Laurin und Chris hingesetzt und Gedanken über Songstruktur und einzelne Elemente gemacht und den Song so nochmal „neu zusammengesetzt“. Herausgekommen ist eine gewisse Leichtigkeit im Sound, die wir vorher noch nicht hatten.

Philipp: Klar, es ist musikalisch jetzt keine 180-Grad-Wende, aber im Prinzip geht es weiter in die Richtung, in die wir eigentlich schon immer wollten.

Foto: Clemens Schlegel